Terra Madre Salone del Gusto 2020 auch Live!

An den ersten fünf Tagen von Terra Madre gab es sowohl digitale als auch Live-Veranstaltungen, die es geschafft haben, die Philosophie von Slow Food trotz der Covid-19-Pandemie auf der ganzen Welt zu verbreiten. Das Event dauert sechs Monate und geht bis April 2021.

Die Delegierten, Mitglieder und Aktivisten des Terra-Madre-Netzwerks zusammenbringen, um gemeinsam ein großes kollektives Projekt voranzutreiben; die Öffentlichkeit für die Themen zu sensibilisieren, für die sich Slow Food einsetzt – und das alles trotz des Damoklesschwerts der laufenden Pandemie: die ersten fünf Tage von Terra Madre Salone del Gusto haben diese Herausforderungen gekonnt gemeistert.

Die dreizehnte Ausgabe des Großevents von Slow Food, der Region Piemont und der Stadt Turin erweist sich sowohl in puncto Inhalte als auch in Bezug auf die Struktur revolutionär. Selbst in diesem neuen Format gelingt es der Veranstaltung, ihren ganz besonderen Geist beizubehalten, der auch schon die Veranstaltungen der letzten Jahre kennzeichnete. Sie schafft es, dringende Fragen wie den Verlust der biologischen Vielfalt und die Klimakrise unter dem Blickwinkel der Ernährung anzugehen, u.a. in Podiumsdiskussionen mit internationalen Fachleuten. Dabei wird wieder deutlich, dass der einzige Weg aus unserer aktuellen Krise darin besteht, allen Menschen Zugang zu guten, sauberen und fairen Lebensmitteln zu garantieren. Nur so können wir die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten lösen, die unser aktuelles System zur Produktion, Verteilung und zum Konsum von Lebensmitteln verursacht.

Opening the curtain. – Photo: Alessandro Vargiu

Das neue Format erlaubt es uns, dank digitalen Inhalten in verschiedenen Sprachen noch mehr Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen. Die Inhalte sind kostenlos auf der Plattform www.terramadresalonedelgusto.com zugänglich. Außerdem wurde die Fundraising-Aktion Slow Food Unterstützen: Gemeinsam für das Gemeinwohl aktiv werden gestartet, um Terra Madre und die Projekte von Slow Food auf der ganzen Welt zu unterstützen.

„Diese ersten fünf Veranstaltungstage waren für uns ein Meilenstein: Wir konnten die digitalen Formate testen und überprüfen, ob Präsenzveranstaltungen in völliger Sicherheit möglich sind. Aber vor allem konnten wir sehen, dass der einzigartige Geist von Terra Madre erhalten bleibt. Bei den letzten Ausgaben war es dank der persönlichen Kontakte und Gespräche, dank der gemeinsam verbrachten Stunden einfach, den Zauber zu verspüren, der so viele Projekte ins Leben gerufen, so viele Beziehungen aufgebaut und den Zusammenhalt des Slow-Food-Netzwerks sichergestellt hat. Das Feedback, das wir nach diesen ersten Tagen erhalten haben, bestätigt uns, dass wir den richtigen Weg gewählt haben: Die Energie, die Terra Madre zum Fließen bringt, ist stärker als die physische Distanz. Das lässt uns auf sechs Monate voller Veranstaltungen hoffen, die Spuren hinterlassen werden”, kommentiert Paolo Di Croce, Generalsekretär von Slow Food.

Taste Workshops in person and online – Photo: Alessandro Vargiu

Ein Beispiel für diese starke Energie ist das Bündnis gegen Ernährungsarmut zwischen drei großen norditalienischen Städten (Mailand, Turin und Genua), das vom Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala initiiert wurde und sofort von der Bürgermeisterin Turins, Chiara Appendino, und dem Bürgermeister von Genua, Marco Bucci, aufgenommen wurde. Ausgangspunkte für dieses Bündnis sind konkrete Projekte, wie Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung, Initiativen zur Verwertung von Nahrungsmittelüberschüssen und zur Ernährungsbildung. Ein weiteres Projekt ist das Manifest für Guten, Sauberen und Fairen Wein, das Slow Wine auf der Messe Sana in Bologna lanciert hat.

Sich auf der ganzen Welt Gehör verschaffen

Es gab zahlreiche Geschichten und Anregungen aus dem weltweiten Slow-Food-Netzwerk. Angefangen bei der indischen Umweltaktivistin Sunita Narain, Generaldirektorin des Zentrums für Wissenschaft und Umwelt, die am Asiatischen Staffellauf rund um die Welt teilnahm: „Ich lebe und arbeite in Indien. In meinem Heimatland sieht man gut, welche Auswirkungen der Klimawandel auf unser aller Leben hat. Er trifft die ärmsten Menschen und diejenigen, die am Rande der Gesellschaft leben. Machen wir uns nichts vor: Heute sind die Armen Opfer des Klimawandels, morgen wird es auch die Reichen treffen.”

„Wir müssen so schnell wie möglich unser Gesellschaftsmodell neu definieren. Wir alle sind uns einig, dass das vielfältigste und bunteste Gericht am besten und nahrhaftesten ist; warum sollte man dieses Prinzip nicht auch auf sozialer Ebene anwenden? Wir haben Angst vor Monokulturen und vor der Ausbreitung der Monokulturen. Denn jede Art von Monokultur ist tödlich“, betont Célia Xakriabá, indigene Führungspersönlichkeit des Xakriabá- Volkes, die bei der südamerikanischen Etappe in Brasilien zu Wort kam.

Célia Xakriabá

„Die Menschheit hat Lebensmittel immer als wertvolles Gut betrachtet. Aber auf einmal wurde ihnen der Wert abgesprochen. Heute sollen Lebensmittel sowohl günstig als auch einfach zu essen und verzehrbereit sein. An diesem Punkt setzt unsere Revolution von Slow Food an. Lebensmittel, die wieder Wert erhalten und ihre Stärke daraus erzielen, dass sie die Grundsätze der Verantwortung, der Nahrhaftigkeit, der Gleichheit und der Vielfalt fördern. Es gibt keinen besseren Ort als das staatliche Schulsystem, um diese Grundsätze zu verbreiten“, bekräftigte Alice Waters, amerikanische Köchin und Essayistin sowie Aktivistin für Ernährungsbildung bei der nordamerikanischen Etappe.

Appendino and Sala launch a new alliance – Photo: Alessandro Vargiu

Einer der wichtigsten Beiträge kam von Fritijof Capra, österreichischem Physiker, Ökonomen und Schriftsteller, der die Reihe der Food Talks mit einer Reflexion über Covid-19 einleitete: „Wir müssen den Coronavirus als eine biologische Antwort unseres lebendigen Planeten, Gaia, auf den ökologischen und sozialen Notstand verstehen, dessen Verursacher und gleichzeitiges Opfer die Menschheit ist. Er wurde durch ein ökologisches Ungleichgewicht hervorgerufen, hat aber aufgrund der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte so drastische Folgen. […] Daher werden die ethischen Ansätze, die sich am Gemeinwohl orientieren, in dieser Pandemiezeit zu einer Frage von Leben und Tod. Denn einer Pandemie wie Covid-19 kann man nur entkommen, wenn alle an einem Strang ziehen und das Wohl der Gemeinschaft vor Augen haben.”

Das Gefühl der Verbundenheit zwischen Delegierten und Aktivisten, das auf Erfahrungsaustausch und gemeinsamen Werten über Sprachen und Ländergrenzen hinweg basiert, war auch bei den Foren, den Food Talks, dem Staffellauf und den Konferenzen des digitalen Netzwerks zu spüren. Seit einigen Tagen haben die Themen von Terra Madre Salone del Gusto auch andere Länder auf der Erde erreicht: in Großbritannien mit verschiedenen Diskussionen bei Terra Madre Fringe; in Deutschland setzten sich Aktivisten dafür ein, die Öffentlichkeit für die Auswirkungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf unseren Esstischen zu sensibilisieren; in den Philippinen wurde ein sechsmonatiges Programm mit Veranstaltungen zu Ernährungssicherheit in Krisensituationen eingeleitet; in Montenegro findet ein Markt der Erde statt, auf dem über 40 Aussteller in in Bijelo Polje traditionelle Produkte und lokales Kunsthandwerk präsentieren; und das Rebato-Festival im spanischen Castielfabib stellt einen Dialog zwischen Stadt und Land her.

„Die kontinuierliche Verbreitung der Pandemie, die in Italien und der ganzen Welt zu beobachten ist, liefert eine Bestätigung, dass unsere Entscheidung vom Frühjahr für das digitale Format richtig war. Es wäre unmöglich gewesen, Tausende Delegierte aus allen Ecken und Enden der Welt zu beherbergen, und nicht einmal in reduziertem Ausmaß hätten wir eine sichere Durchführung garantieren können. Bei den Aktivitäten dieser ersten fünf Tage hingegen haben wir neue Mittel und sprachliche Wege gefunden, um die Ziele von Terra Madre zu erreichen. Wir arbeiten weiter daran, das Programm der nächsten sechs Monate zu bereichern. Für die nächsten Tage stehen schon viele interessante Veranstaltungen auf dem Programm: Heute ist der Startschuss für Terra Madre Salone del Gusto!“, so Di Croce.

Terra Madre in Turin – Photo: Alessandro Vargiu

Die bunte Reise von Terra Madre geht weiter – wo möglich mit Präsenzveranstaltungen, und darüber hinaus mit zahlreichen digitalen Veranstaltungen, an denen jeder von zu Hause teilnehmen kann. Einige Highlights:

  • Hier können Sie die Konferenz „20 Jahre im Namen der Biodiversität“ vom 17. Oktober ansehen, bei der Slow Food eine Bilanz der Projekte der Presidi und der Arche des Geschmacks zieht: Wo stehen wir momentan und was hält die Zukunft bereit? Bei der Konferenz wurde auch das neue Logo der Slow Food Presidi lanciert und der tausendste italienische Arche-Passagier begrüßt.
  • Am 23. und 24. Oktober sprechen wir mit den Behördenleitern der Städte, die das Mailänder Abkommen über städtische Ernährungspolitik unterzeichnet haben oder in Kürze unterzeichnen werden, und den Slow-Food-Delegierten von Terra Madre Bergamo. Bei der zweitägigen Veranstaltung, die von der Stadt Bergamo, der Stadt Mailand, und der Region Lombardei organisiert wird, diskutieren wir darüber, wie man Großstädte ernähren kann, ohne die Ressourcen der Erde auszubeuten.
  • Verpassen Sie auch nicht die dritte Ausgabe von Terra Madre Brasilien von 17. bis 22. An den virtuellen Treffen nehmen Bauern, Aktivisten, handwerklich arbeitende Fischer, Käsehersteller, Imker, Quilombolas (Nachkommen von Gemeinschaften, die von versklavten Flüchtlingen gegründet wurden), indigene Völker, Journalisten und Köche teil, die das große Slow-Food-Netzwerk ausmachen. Es gibt drei Hauptthemen, die sich durch das ganze Programm ziehen: Ernährungskultur und Biodiversität, Ernährungsbildung und Ernährungssicherheit mit einem Schwerpunkt auf Ernährung an Schulen, sowie Mobilisierung der Zivilgesellschaft.
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