Rebstockpatenschaften

Die an den steinigen Hängen des Moseltals angelegten Weinberge gehören zu den steilsten der Welt und sind ein Juwel der deutschen Weinkultur.

Die Mosel ist Riesling-Land. Diese traditionelle und weit verbreitete Rebsorte ist vermutlich autochthon für dieses Weinbaugebiet und wurde bereits im 16. Jahrhundert von dem deutschen „Vater der Botanik“ Hieronymus Bock in Verbindung mit der Region gebracht.

Über Generationen hinweg entwickelten die ansässigen Weinbauern eine spezielle Methode der Reberziehung, die für die lokalen steilen Lagen und die begrenzte Sonneneinstrahlung geeignet war: die sogenannte Mosel- oder Einzelpfahlerziehung. Dafür wird jede Pflanze mit einem eigenen Pfahl gestützt, wobei auf jedem Stämmchen zwei Bögen angeschnitten und in Herzform festgebunden werden, als Stütze für die nachwachsenden Blattranken.

Doch heute ist diese Methode nicht nur an der Mosel vom Aussterben bedroht. Die Steillagen mit einer Steigung von mindestens 30 Prozent und die enge Bestockung erschweren die Nutzung moderner Weinbaumethoden. Diwine photoe Lese sowie alle anderen Arbeiten im Weinberg sind nur von Hand möglich, wodurch die Produktion als unprofitabel gilt. Das Terroir kann dem Winzer noch zusätzlich wortwörtlich Steine in den Weg legen.

Viele alte Weinberge liegen heute brach und mit ihnen verschwindet der Lebensraum zahlreicher wärmeliebender Tiere und Pflanzen, wie die Westliche Smaragdeidechse, der Apollofalter und die Weiße Pfefferhenne.

Slow Food Deutschland ist der Überzeugung, dass diese Steillagen zu neuem Leben erweckt werden können. Über zehn Jahre gibt es nun schon die von Slow Food Deutschland ins Leben gerufenen Rebstockpatenschaften. Dabei bezahlt man als Pate einen jährlichen Beitrag für die Bewirtschaftung eines Stücks Weinberg, auf denen der Winzer einen hochklassigen Riesling produziert und so die biologische Vielfalt und die Kulturlandschaft eines einzigartigen Ökosystems schützt.

Derzeit bewirtschaften unsere Partner-Winzer, Weingut Böcking und Weingut Müllen, zwei Flächen in Traben-Trarbach, einem ehemaligen Zentrum für den Weinhandel.

Die Familie Böcking bewirtschaftet den Trarbacher Ungsberg, samt seinem Kernstück Pfarrwingert, der schon in alten preußischen Steuerkarten als die beste Lage geführt wurde. Die Südhanglage und der blaue Schiefer prägen den Wein und ergeben einen frischen, mineralischen, lang anhaltenden Riesling mit besonderen Kräuter- und Gewürznoten. Ein Teil des Weinbergs lag früher brach und verwildert, bis die Böckings ihn neu bestockten.

„Wir freuen uns über die Zusammenarbeit mit Slow Food, denn so können wir die Weinberge bewirtschaften, die uns besonders am Herzen liegen: die alten klassischen Terrassenlagen mit wurzelechten Riesling-Rebstöcken, die vor der Reblausepidemie verschont geblieben sind“, so Simon Trös, Kellermeister und Weingutsleiter bei den Böckings.

Nur wenige Kilometer entfernt liegt der Trarbacher Hühnerberg, der von der Familie Müllen bewirtschaftet wird. Die Lage wurde in der Moselweinbaukarte von 1897 in die höchste Kategorie eingestuft. Hier wachsen Weine mit intensiven Kräuternoten und einem Aroma von reifen dunklen Früchten wie Schwarze Johannisbeere und Brombeere. Die Flächen lagen teilweise brach oder waren mit gebietsuntypischen Rebsorten bepflanzt. Auch hier bestockte der Winzer die verwilderten Flächen mit Riesling. „Es ist schön, wenn andere Menschen den großen Aufwand schätzen, den wir in die handwerkliche Weinerzeugung investieren“, so Martin Müllen.

Die Rebstockpaten erhalten jedes Jahr Wein aus dem Ertrag der von ihnen unterstützten Rebstöcke und können das Ergebnis dann selbst schmecken. „Als Rebstockpate hat man die einzigartige Möglichkeit, die Entwicklung des Weinbergs zu verfolgen und eine wesentlich tiefere Beziehung zu „seinem“ Wein aufzubauen“, sagt Robert Friedenberger, Rebstockpate seit über zehn Jahren. „Nachdem ich vor einigen Jahren auch bei der Lese mitgeholfen habe, sehe ich ein Glas Wein mit ganz anderen Augen.“

Jeden Sommer werden die Rebstockpaten zu einem ganz besonderen Rebstockpatenfest eingeladen, bei dem sie den Weinberg und die Kellerei besuchen und gemeinsam in geselliger Runde gut essen und trinken.

Slow Food Deutschland würde das Konzept der Patenschaften gerne auf andere gefährdete Erzeugnisse ausweiten, um die verschwindenden Kulturlandschaften zu retten.

 

Ihr Ansprechpartner bei Slow Food Deutschland e. V.:

Mariusz Rybak
[email protected]

 

In der aktuellen Ausgabe von Slow Wine geht es um den toskanischen Vino Nobile di Montepulciano, den Fiano di Avellino aus Kampanien und um große Weine und Winzer aus den Cinque Terre und Südtirol.

https://www.slowwinemagazine.com/

 

Photos: Mariusz Rybak

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