GVO in Europa

In Europa wird in 5 Mitgliedstaaten auf einer Gesamtfläche von etwa 150.000 Hektar (Spanien, Portugal, Tschechische Republik, Slowakei und Rumänien) eine Genmaissorte (Mon 810) angebaut [Angaben der Europäischen Kommission]. Doch verzehrt wird viel mehr: Um die große Lust auf Fleisch zu befriedigen, werden in der EU jedes Jahr über 36 Millionen Tonnen Soja an die Tiere verfüttert. Die EU produziert jedoch nur 1,4 Millionen Tonnen Soja europe-636985_1280(GVO-frei, da der Anbau von Gensoja in der EU nicht gestattet ist). Die europäische Viehzuchtbranche ist somit für die Herstellung von Viehfutter in großem Umfang von den Produktionen aus Drittländern abhängig. Im Jahr 2013 importierte die EU 18,5 Millionen Tonnen Sojamehl und 13,5 Millionen Tonnen Soja. Das sind über 60% des Bedarfs an pflanzlichen Proteinen in der EU.

Die europäische Gesetzgebung sieht die zwingende Auszeichnung von Nahrungs- oder Futtermitteln vor, die GVO enthalten, aus diesen bestehen oder produziert werden. Eine Ausnahme von dieser Vorschrift sind Nahrungs- oder Futtermittel mit einem Anteil von weniger als 0,9% GVO oder mit einem zufällig entstandenen oder technisch unvermeidbaren Anteil von GVO. Die EU-Gesetzgebung verbietet keine Nutzung der Etikettierung „GVO-frei“, die in Österreich, Frankreich und Deutschland auf Nahrungs- und Futtermitteln vorgesehen sind.

Am 2. April ist in Europa ein neues Zulassungssystem für den Anbau von GVO in Kraft getreten: Die Mitgliedstaaten haben nun die Möglichkeit, den Anbau von Genpflanzen aufgrund von umweltschutz- oder landwirtschaftspolitischen Gründen oder aus Gründen der urbanen oder Flurplanung, der Bodennutzung, der sozioökonomischen Auswirkungen, der Koexistenz und der öffentlichen Ordnung zu untersagen oder einzuschränken. Leider ist die Richtlinie in Bezug auf die umweltschutzpolitischen Begründungen, mit der ein Staat seine Entscheidung stützt, viel zu vage und macht so den Weg frei für Klagen der Landwirtschaftsindustrie vor dem Justizgerichtshof. Außerdem verhindert das Verbot oder die Einschränkung von GVO-Pflanzungen in keiner Weise die Zirkulation besagter gentechnisch veränderter Produkte auf dem Staatsgebiet, auf dem die Pflanzung verboten wurde.

Dasselbe Problem stellt sich auch in Bezug auf den neuen Vorschlag der Kommission über die Einfuhr von gentechnisch veränderten Nahrungs- und Futtermitteln. Der Vorschlag der Kommission sieht eine Veränderung der Gesetzgebung vor, die den Mitgliedstaaten eine größere Freiheit bei der Einschränkung oder dem Verbot der Verwendung von auf EU-Ebene zugelassenen GVO in Nahrungs- oder Futtermitteln im nationalen Handel gibt.

61% der EU-Bürger halten gentechnisch veränderte Nahrungsmittel für nicht sicher (Daten Eurobarometer).

Trotzdem genehmigte die EU-Kommission im vergangenen April den Import von 19 gentechnisch veränderten Pflanzen, davon 10 für den Gebrauch als Nahrungsmittel, sieben für die Verwendung in Futtermitteln und zwei Schnittblumensorten. Zum ersten Mal überhaupt wurde eine so hohe Anzahl von GVO an nur einem Tag zugelassen. Bis heute sind in der EU 58 gentechnisch veränderte Organismen als Nahrungs- und Futtermittel zugelassen (darunter Mais, Baumwolle, Soja, Raps, Zuckerüben).

Fachleute weisen darauf hin, dass die von GVO ausgehenden Risiken noch nicht hinreichend geklärt seien. Vor allem über den gleichzeitigen Verzehr unterschiedlicher gentechnisch veränderter Nahrungsmittel weiß man nichts. Sieben der 19 zugelassenen GVO sind resistent gegen 4 verschiedene Herbizidgruppen. Die Auswirkung von Pestizidresten und die dieses Pestizid-Cocktails sind vollkommen unerforscht. Drei gentechnisch veränderte Sojasorten besitzen eine veränderte Ölzusammensetzung, auf deren gesundheitsfördernde Eigenschaften hingewiesen wird. Allerdings wurden keinerlei Tests durchgeführt, um besagte Eigenschaften zu belegen. Der zugelassene Mais wurde genetisch verändert, um resistenter gegen Trockenheit zu sein, doch scheint er keinen signifikanten Vorteil gegenüber konventionellen Maissorten zu bieten. Außerdem sind die Gefahren für die Gesundheit von Umwelt und Mensch, die gegebenenfalls von diesem Mais ausgehen, nicht bekannt. Experten sind auch beunruhigt über den gentechnisch veränderten Raps von Monsanto, der sich aufgrund von Verlust während des Transports unkontrolliert verbreiten könnte.

„Die Offensive gegen Qualitäts-Landwirtschaft ist mittlerweile offensichtlich und radikal“, so der Kommentar der Slow Food Vizepräsidentin Cinzia Scaffidi zur Entscheidung der Europäischen Kommission. „Angesichts der Entscheidungen über GVO auf einen Seite und den TTIP-Verhandlungen auf der anderen, bleibt den Bürgerinnen und Bürgern nur ein ebenso radikaler Widerstand. Entziehen wir auf politischer Ebene jenen das Vertrauen, die nur noch nach der Pfeife multinationaler Konzerne tanzen, die mit ihrem Konzept von Nahrung als Ware unsere Gesundheit und das Wohl unseres Planeten unterminieren. Privat sollten wir alles unternehmen, um in der Lage zu sein, unsere Lebensmittel auszuwählen, genau zu wissen, was wir essen, unser Wohl und das der anderen in den Mittelpunkt zu stellen, denn unsere politischen Vertreter haben daran offensichtlich kein Interesse. Es gibt viele Erzeuger von hochwertigen Nahrungsmitteln und sie sind für uns Verbraucher immer leichter erreichbar. Schenken wir ihnen unser Vertrauen. Es stimmt nicht, dass wir zum Verzehr von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln verdammt sind: Wenn die Bürgerinnen und Bürger keine GVO kaufen, werden auch deren Produzenten kein Interessen an der Fortsetzung der Produktion mehr haben“.

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